Sozialisierung oder Traumatisierung?!

Die Sozialisierung der Hunde ist in aller Munde! Jeder Hundehalter möchte den perfekt sozialisierten und souveränen Hund, der dann idealerweise in jeder Alltagssituation cool bleibt und leichtführig ist. Aus diesem Grund werden für Welpen- und Junghunde, aber auch für kürzlich übernommene erwachsene Hunde engmaschige Zeitpläne zusammengestellt um möglichst alle Eventualitäten abzudecken. Doch gut gemeint ist nicht immer auch gut gemacht! Und schnell kann aus der gut gemeinten Sozialisierung eine ernste Traumatisierung des Vierbeiners werden!

Definitionen

Für die Sozialisierung gibt es verschiedene Definitionen. Hr Zimbardo beschreibt die Sozialisation in der Humanpsychologie als einen lebenslangen Lernprozess, sowie die Entwicklung, die ein Mensch in Auseinandersetzung mit seiner Umwelt (Familie, Freunde, Gesellschaft, Kultur) durchläuft.1

Diese Definition lässt sich auch auf unsere Hunde umlegen. Der Vierbeiner lernt in der Sozialisierung den artspezifischen Umgang mit anderen Hunden, also die Verständigung und Körpersprache bzw. sich in eine Gruppe zu integrieren. Außerdem lernt der Hund Verhaltensreaktionen von artfremden Sozialpartnern zu verstehen und erfolgreich zu kommunizieren. Zusätzlich spielt eine abwechslungsreiche Umwelt eine wichtige Rolle für die Entwicklung des Nervensystems – der Hund lernt neue Reize (Geräusche, Gerüche, das Aussehen und „Verhalten“ von Dingen, etc.) kennen und die adäquate Reaktion darauf.2

Wie oben schon erwähnt ist die Sozialisation ein lebenslanger Prozess! Fehlende Erfahrungen können durchaus auch in höherem Alter nachgeholt werden. Die 4. – 12./14. Lebenswoche des Hundes ist jedoch durch besonders schnelles Lernverhalten gekennzeichnet.

1 Vgl. Zimbardo, Philip G. (1995). Psychologie. Berlin, Heidelberg, New York. Springer-Verlag.
2 Vgl. Luescher, Urs A. (2011). Die Verhaltensentwicklung des Hundes. In: Small Animal Pediatrics. St. Louis. Elsevier-Verlag.

Erfolgreiche Sozialisierung

Das Wissen um die Wichtigkeit der Sozialisierung verleitet Hundehalter manchmal dazu, es zu übertreiben. Die wichtigsten Eckpfeiler der gut gemachten Sozialisierung sind:
   
Bewältigbare Stresssituationen: Moderaten Stress zu erfahren und auszuhalten ist für die Entwicklung des Hundes wichtig. Dies sollten aber immer bewältigbare Stresssituationen sein und den Vierbeiner niemals überfordern. Dazu ist das Wissen um die Körpersprache des Hundes essentiell! Denn so merkt man schnell, ob sich der Hund noch wohlfühlt, oder ob die Situation zu viel wird.
  
Vermeidung von Angstreaktionen: bewegt man sich mit dem Hund in bewältigbaren Situationen, dann sollte der Vierbeiner niemals ängstlich auf neue oder auch bekannte Reize reagieren. Zeigt der Hund Furcht, dann war die Situation offensichtlich zu viel für den Vierbeiner!
     
Positive Situationen generieren: je positiver und/oder spaßiger eine Situation für den Hund ist, desto positiver wird er sie für die Zukunft abspeichern. Man sollte also zu jeder Zeit versuchen positive Situationen zu generieren. Das kann man zum Beispiel erreichen, indem man den Hund für erwünschtes Verhalten lobt und belohnt, statt strafbasiert zu arbeiten.
   
Individuelles Lerntempo: jeder Hund (wie auch jeder Mensch) ist ein Individuum und hat sein eigenes Lerntempo. Das sollte jederzeit berücksichtigt werden, um eine Überforderung zu vermeiden.
   
Vertrauensmissbrauch vermeiden: übernimmt man einen Hund, dann sollte das oberster Ziel sein, eine vertrauensvolle Beziehung mit dem Vierbeiner aufzubauen. Das Vertrauen ist die Grundlage um zu einem starken Mensch-Hund-Team zu werden und die unterschiedlichsten Situationen zu meistern.  Bringt/Drängt man den Hund in Situationen, die ihn überfordern, dann wird die Vertrauensbeziehung belastet. Der Vierbeiner wird sich dann eher auf seine eigenen Entscheidungen verlassen, als auf seinen Menschen zu vertrauen.
   
Helfend zur Seite stehen: es kann immer mal passieren, dass der Hund in eine Situation kommt, die für ihn unangenehm ist. Dabei ist es wichtig, dass der Mensch sofort eingreift und dem Hund unterstützend zur Seite steht. So lernt der Vierbeiner, dass er jederzeit zu seinem Menschen kommen kann und sollte, wenn er Hilfe braucht. Aussagen wie „die machen sich das schon aus“ sind also absolut sinnfrei und kontraproduktiv.

Schwierigkeitsgrad langsam steigern: wie weiter oben schon erwähnt, ist Stress für die Entwicklung des Hundes wichtig. Das bedeutet jedoch nicht, dass man den Vierbeiner gleich in schwierigste Situation bringen sollte, damit er sich daran gewöhnt. Viel sinnvoller ist es, den Schwierigkeitsgrad langsam zu steigern. Möchte man den Hund also zum Beispiel an Verkehr heranführen, dann ist es deutlich sinnvoller zuerst eine wenig befahrene Straße zu besuchen, statt mit einer Autobahn zu beginnen 🙂

Oder doch Traumatisierung …?

Ein Trauma entsteht dann, wenn eine Situation den Hund stark überfordert und er keine Möglichkeit findet, um sich der unangenehmen Situation zu entziehen. Dies sollte in jedem Fall verhindert werden, da es das Leben nachhaltig beeinflusst und in manchen Fällen auch nie überwunden werden kann. Deshalb ist es wichtig bei der Sozialisierung die oben genannten Punkte zu beachten, um eine Traumatisierung aktiv zu verhindern!