Die Sommerschur

Das Wochenende verspricht wieder sehr hohe Temperaturen, deshalb möchte ich heute einen Beitrag von letztem Jahr wieder „auffrischen“: darf man Hunde im Sommer nun scheren oder nicht?

Das Thema ist mir ein wichtiges Anliegen, da die Sommerschur einigen Vierbeinern das Leben bei den vorherrschenden Temperaturen wirklich erleichtern kann! Leider hat es sich in letzter Zeit so entwickelt, dass immer mehr (angeblich) wissenschaftliche Erklärungen gegeben werden WARUM nicht geschoren werden darf . Dabei werden die Hundehalter, die sich FÜR die Sommerschur entscheiden stark verunsichert.

Faktencheck

Der Hund hat eine normale Körpertemperatur zwischen 38.0 und 39.0 Grad (1). Dies ist in unseren Breitengraden die allermeiste Zeit wärmer als die Außentemperatur im Schatten. Der Hund muss im Sommer also, schon wenn er nur geringe Aktivität zeigt, Wärme abgeben, um seine Körpertemperatur konstant zu halten. Denn überhitzt der Körper hat es gesundheitliche Folgen (Info zu Übererwärmung findest du hier: https://hundefaelle.at/die-gefahr-von-maulschlaufen/)
Haar besteht jedoch aus Keratin – die Wärmeleitfähigkeit von Keratin ist extrem schlecht (im Gegensatz zum Beispiel zu diversen Metallen) (6). Das bedeutet, dass über das Haar kaum bis gar keine (Körper-)Wärme abgegeben werden kann. Das Fell hat also eher „dämmende“ Wirkung, die im Sommer aber gefährlich werden kann, da der Hund ja Wärme abgeben muss um nicht zu überhitzen!

Zusätzlich besagt der zweite Satz der Thermodynamik, dass Wärme nur vom wärmeren Körper zum kühleren Körper fließen kann. Die umgekehrte Variante ist physikalisch für den Hund unmöglich (3)! Fakt ist also, dass über das Haar nur sehr wenig Temperatur vom Körper nach außen abgegeben werden kann und dass die kühlere Außentemperatur den Körper durch die Haare auch nicht erreichen kann.

Nun besteht das Haarkleid der meisten Hunde aus Deckhaar und Unterwolle (5). Im Sommer ist es absolute Pflicht für Hundehalter so viel Unterwolle wie möglich auszubürsten. ALLES wird man dabei aber nie entfernen können – dementsprechend ist eine gute Luftzufuhr zur Haut (die zur Abkühlung gebraucht werden würde) nicht wirklich möglich. Für viele Hunde ist das Ausbürsten der Unterwolle genug Erleichterung um den Sommer gut zu überstehen, aber bei Weitem nicht für alle!

Oft wird behauptet, dass das Haar nach der Schur „kaputt“ wird oder nur sehr schlecht nachwächst. Fakt ist, der aktiv wachsende Teil des Haares liegt unterhalb der oberen Hautschichten. Das was wir als Fell sehen können, ist der voll keratinisierte Teil des Haares, der metabolisch inaktiv ist. Schneidet man diesen Teil des Fells ab, hat das keinen Einfluss auf das spätere Haarwachstum! (7) (Oder verändern sich unsere Haare, nur weil wir sie schneiden?) Man muss aber bedenken, dass Deckhaar teilweise etwas langsamer wächst als die Unterwolle (5) (biologisch ist es ja auch sinnvoll, weil die Unterwolle häufiger im Jahr ausgetauscht werden muss). Deshalb sehen Hunde zu Beginn des Nachwuchses etwas lustig aus – dadurch wird das Haar aber auf keinen Fall kaputt. Nach einiger Zeit wächst alles wieder normal nach 🙂

Wichtig ist es aber, den Hund beim Nachwachsen des Fellkleides auch wieder durch Bürsten zu unterstützen, dass sich keine Verfilzungen bilden.
Manchmal wird außerdem das Argument gebracht, dass Hunde von Natur aus über entsprechendes Fell verfügen und es deshalb nicht falsch sein kann. Leider ist das nicht ganz richtig: seit mehreren tausenden Jahren greift der Mensch züchterisch in das Erscheinungsbild von Hunden ein. Die heutige Fellstruktur hat also nichts mehr mit der „natürlichen“ Variante zu tun. Zusätzlich werden immer häufiger Hunde aus anderen Breitengraden importiert, die an die hier herrschenden Temperaturen nicht angepasst sind – das beste Beispiel dafür ist der beliebte Husky. In nordischen Ländern erfüllt das Fellkleid tatsächlich eine wichtige Schutzfunktion. Bei unseren sommerlichen 34 Grad ist das Haar jedoch für viele Hunde eine große Last.

Fazit

Für einige Hunde mag es absolut ausreichend sein, wenn sie im Sommer gut ausgebürstet werden, wenn man auf enstprechende Ruhezeiten während des heißen Tages achtet. Sobald der Hund jedoch ein bisschen älter oder krank wird bzw. ein sehr dickes Fell angezüchtet wurde, wird die Temperaturregulation extrem schwierig! Dabei kann man den Hund durch eine Sommerschur deutlich unterstützen (2)!

Bei all diesen Überlegungen sind vor Allem die Hundehalter gefordert, die ihren eigenen Hund hoffentlich so gut einschätzen können um zu sagen was er braucht: ob eine Sommerschur notwendig wird, oder ob Ausbürsten ausreichend ist. Dieser Beitrag soll keinesfalls ein Plädoyer dafür sein, ALLE Hunde zu scheren. Er soll nur zeigen, dass eine Sommerschur keinesfalls schädlich für Hunde ist.

Ist die Sommerschur notwendig, rasiert man den Hund klarerweise nicht bis auf die Haut ab, sondern lässt genug stehen, damit der Hund keinen Sonnenbrand bekommen kann!

Außerdem darf die Sommerschur NIEMALS als Alternative zur Fellpflege gesehen werden. Nur, weil man vielleicht keine Luft auf das Ausbürsten der Unterwolle hat, darf man den Hund noch lange nicht einfach scheren. Fellpflege muss trotzdem stattfinden, schon um ein gutes Nachwachsen der Haare zu fördern.

(1) Suter, P. et al.: Praktikum der Hundeklinik. Enke, Stuttgart 2012
(2) Dr. Carola Urhausen: Hitschlag bei Hunden. http://www.vdh.de/news/artikel/hitzschlag-bei-hunden/
(3) Hans Dieter Baehr, Stephan Kabelac: Thermodynamik: Grundlagen und technische Anwendungen. 15. Auflage. Springer Verlag, Berlin / Heidelberg 2012
(4) David R. Lide (Hrsg.): CRC Handbook of Chemistry and Physics. 90. Auflage. (Internet-Version: 2010)
(5) Wolf Herre, Manfred Röhrs: Haustiere – zoologisch gesehen. 2. Auflage. Springer Verlag, Berlin / Heidelberg 2013
(6) Prof. Dr. Dipl-Ing. Azra Korjenic, Assoc. Prof. Jiri Zach, Jitka Hroudova Ph.D.: Schafwolle als alternativer Wärmedämmstoff und ihr hygrothermisches Verhalten. In: Bauphysik. 36/2014, S. 221-280
(7) Yelva L Lynfield, Peter Macwilliams: Shaving and Hair Growth. In: Journal of Investigative Dermatology. 55, 1970, S. 170–172https://linkinghub.elsevier.com/retrieve/pii/S0022202X15478881